Handwerk gestern und heute
Das Handwerk – die Wirtschaftsmacht von nebenan!
Handwerk, gestern und heute
Das Handwerk ist über Jahrhunderte hinweg das Herz der wirtschaftlichen Leistungen in Deutschland. Jedoch wird es in der gesellschaftlichen Wahrnehmung oftmals unterschätzt und ist vielen in seiner Struktur und in seinem Wesen nicht im vollen Umfang bekannt.
Handwerk gibt es seit Menschengedenken und wird es so lange geben, so lange es Menschen gibt. Nur war das Handwerk einem stetigen Wandel unterworfen und dieser Wandel wird sich zukünftig noch viel rasanter vollziehen.
Was ist Handwerk?
Handwerk steht im Gegensatz zur industriellen Massenproduktion und versteht sich selbst als wirtschaftliche und gesellschaftliche Gruppe. Es ist eine gewerbliche Tätigkeit, die Produkte meist auf Bestellung nach individuellen Wünschen anfertigt. Das Handwerk wird in Betrieben ausgeübt, die aber längst nicht mehr nur Familienbetriebe sind. Früher wurden die Produkte ausschließlich "von Hand" gefertigt; heute übernehmen teilweise Maschinen die Produktion, die wiederum aber auch von Hand gebaut und bedient werden müssen.
Der Gesetzgeber macht keine Einschränkungen bei der Betriebsgröße und Umsatzhöhe.
Wer einen Betrieb eröffnen möchte, muss die Voraussetzungen nach dem Gesetz zur Regelung des Handwerks (Handwerksordnung/HWO) erfüllen und wird dann in die Handwerksrolle der jeweiligen Handwerkskammer eingetragen. Die Lehrlinge machen ihren Abschluss mit der Gesellenprüfung. Anschließend gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten sich zu qualifizieren und sich weiter zu entwickeln. Sie können ihren Meister machen, studieren, sich zum Betriebswirt des Handwerks oder zum technischen Fachwirt qualifizieren. Es gibt derzeit über 130 Ausbildungsberufe im Handwerk. Aktuell wird im Erzgebirge in 69 Berufen ausgebildet, bzw. Auszubildende gesucht.
Geschichte des Handwerks:
Im frühen Mittelalter existierten nur wenige handwerkliche Berufe. Dies waren zum Beispiel das Kunsthandwerk, die Glasherstellung und das Bauhandwerk. Weitere häufig vorkommende handwerkliche Berufe waren damals Schmied oder Müller, deren Tätigkeiten dann schon eine umfangreichere Ausrüstung erforderten.
Vom Hochmittelalter und der Städtebildung an entwickelte sich die Handwerkskultur.
Mit der einsetzenden Zinnerzförderung im Erzgebirge erlebte die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks um 1660 eine neue Blüte.
Begabte Handwerker zogen in die Städte, wovon sich viele bessere Absatz- und Gewinnchancen versprachen. Im Zuge dessen schlossen sich die städtischen Handwerker zu Zünften zusammen. Bereits 1627 bildeten die ersten tätigen Handwerker eine Gesamtinnung. Insgesamt wird im 17. Jahrhundert eine zahlreiche Zuwanderung an Handwerkern registriert. In der alten Gesamtinnung befinden sich Schuster, Schneider, Schmiede, Bäcker, Fleischer, Tischler, Kürschner, Lohgerber, Wagner, Schlosser, Töpfer, Leineweber und Böttcher.
Nach und nach traten einige Berufsgruppen aus der Gesamtinnung aus und gründeten ihre eigene Innung. Die ersten waren die Tischler und die Fleischer.
In der weiteren städtischen Entwicklung, vor allem mit der fortschreitenden Industrialisierung, vollzog sich auch eine weitere Entwicklung des Handwerks.
Im Europa des 18. Jahrhunderts setzte sich schließlich langsam die Gewerbefreiheit durch, die jedem Bürger das Recht zubilligt, ein Handwerk nach eigener Wahl ausüben zu dürfen. Jeder Bürger ist nun berechtigt, einen Handwerksbetrieb zu gründen. 1897 und 1908 wird die Gewerbeordnung schließlich novelliert. Sie wird heute allgemein als Fundament des dualen Systems der Berufsausbildung betrachtet.
1897 wird ein Handwerksgesetz verabschiedet, das eine Handwerkskammer legitimiert und der alle Handwerker beizutreten haben. 1908 wird der „kleine Befähigungsnachweis“ erlassen, der für die Ausbildung von Lehrlingen wieder den Meisterbrief erforderlich macht. Den Abschluss der Bewegung stellt die Handwerksordnung von 1935 mit der Wiedereinführung des großen Befähigungsnachweises dar, mit dem selbst für die Ausübung eines Handwerkes wieder der Meisterbrief verlangt wird.
In schneller Folge wurden damals beschlossen:
1933 das Rahmengesetz über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks,
1934 die „Erste Verordnung“ zu diesem Gesetz mit der Einführung der Pflichtinnungen und der Kreishandwerkerschaften - als der Zusammenschluss der Innungen, sowie die Schaffung der handwerklichen Ehrengerichtsbarkeit,
1935 die „Zweite und Dritte Verordnung“ mit dem großen Befähigungsnachweis des Meisterabschlusses und der Handwerkskarte.
Auf Grundlage dieses Gesetzes und den Verordnungen wurden sämtliche bestehende Handwerksinnungen mit der Wirkung vom 31.08.1934 geschlossen und durch Erlass der Satzung per 01.09.1934 neu gegründet.
Nach der Gründung der DDR entwickelte sich anfänglich ein breit gefächertes Handwerk.
Ab Anfang der 50iger Jahre schlossen sich die ersten Handwerker zu Produktionsgenossenschaften zusammen. In den folgenden Jahren entschieden sich weitere Handwerker, manchmal nicht freiwillig, für den genossenschaftlichen Weg.
1973 kam eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks auf 16 private Handwerksbetriebe. Es wurden große Anstrengungen unternommen, die Versorgung der Bevölkerung mit Reparaturen und Dienstleistungen aufrecht zu erhalten.
Das Handwerk wurde voll in die sozialistische Planwirtschaft einbezogen, mit ganz verbindlichen Planauflagen belegt und zu bestimmten Leistungen verpflichtet. Die Auflagen und Leistungen untergliederten sich in Reparatur- und Dienstleistungen sowie Neubauleistungen.
Das Innungswesen oder die Kreishandwerkerschaften bestanden so in der ursprünglichen Form nicht mehr. An deren Stelle traten die Berufsgruppen die meist über die Einkaufs- und Liefergenossenschaften des Handwerks (ELG) organisiert und auch kontrolliert waren. Hier erfolgte auch die Abrechnung der vorgegebenen und erbrachten Leistungen. Für die ELG bestand die offizielle Aufgabe darin, die ausgereichten Warenfonds einzulösen, Material entsprechend dem Bedarf zu bestellen und die Mitgliedsbetriebe damit zu beliefern. Vor allem in den letzten Jahren der DDR war es jedoch die Verwaltung und Verteilung des Mangels, aber auch die versuchte Hilfe, dass die Mitgliedbetriebe trotz Materialmangel und anderen Schwierigkeiten überleben konnten.
Mit der politischen Wende 1989 und dem Beitritt der DDR zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland veränderten sich auch die Handwerksstrukturen. So wurde das Innungswesen mit den Kreishandwerkerschaften wieder belebt und die Neugründung der Innungen vorbereitet.
Dem bundesgesetzlichen Auftrag der Handwerksordnung entsprechend, haben die Innungen in allen Bundesländern Kreishandwerkerschaften gebildet. Den Kreishandwerkerschaften ist ein umfassendes Mandat zur Vertretung von Arbeitgeberinteressen erteilt worden, das in seiner Umfänglichkeit bei keiner anderen gesetzlich geregelten Handwerksorganisation zu finden ist.
Es war einerseits ein schwieriger Prozess, die vielfältigen Interessen und Probleme unter ein Dach zu bringen, andererseits war es aber auch ein tolles Erlebnis, nach den Jahren des Niederhaltens des privaten Handwerks wieder selbst über die eigene Organisation mitentscheiden zu können.
Nach § 86 der Handwerksordnung bilden die Handwerksinnungen, die in einem Stadt- oder Landkreis ihren Sitz haben, die Kreishandwerkerschaft.
Mit der Kreisgebietsreform 2008 änderten sich auch die Gebiete einiger Kreishandwerkerschaften. Mit der Bildung des Erzgebirgskreises wurde nach der Handwerksordnung auch die Neustrukturierung der Kreishandwerkerschaft notwendig. Die Kreishandwerkerschaft Erzgebirge war die erste im Handwerkskammerbezirk Chemnitz, die sich der Kreisgebietsreform angepasst hat.
Die Kreishandwerkerschaften der ehemaligen Landkreise Annaberg, Aue/Schwarzenberg und der Teilbereich Mittlerer Erzgebirgskreis sowie der Teilbereich des ehemalige Landkreises Stollberg bildeten per Fusion zum 01.01.2009 die neue Kreishandwerkerschaft Erzgebirge mit Sitz in Annaberg-Buchholz.
Zu dieser gehören nun 30 Handwerksinnungen. Insgesamt betreut die Kreishandwerkerschaft Erzgebirge aktuell 6732 Handwerksbetriebe im Erzgebirge. (Stand 31.03.2013)
Um Handwerkern unnötig lange Wege zu ersparen, gibt es Außenstellen in Aue und Marienberg.
Die Kreishandwerkerschaft setzt auch in Zukunft auf die Mitarbeit vieler bewährter und engagierter Handwerker. Aber nach wie vor ist eine intensive Nachwuchsarbeit notwendig, denn Innungsarbeit ist heute wichtiger denn je. Viele Dinge, die von den Kreishandwerkerschaften als Interessenvertretung des Handwerks getan werden, sind manchem gar nicht bewusst. Vor allem für die Herausforderungen der Zukunft braucht das Handwerk eine starke Interessenvertretung vor Ort. Schwächen wir uns nicht selbst, indem wir die Fachinnungen schwächen. Besinnen wir uns auf unsere Stärken und artikulieren gezielt und gebündelt die Veränderungen, welche das Handwerk braucht und erwartet.
Handwerk heute:
Das Handwerk ist der vielseitigste Wirtschaftsbereich Deutschlands mit großer Innovationskraft und bildet mit fast einer Million kleinen und mittleren Betrieben das Herz der deutschen Wirtschaft. Für Privatverbraucher, Industrie, Handel oder die öffentliche Hand - das deutsche Handwerk bietet ein breites, differenziertes und qualitativ hochwertiges Angebot an Waren und Dienstleistungen an. Mit Flexibilität und Kreativität erfüllt das Handwerk individuelle Kundenwünsche.
In den Betrieben arbeiten ca. 5 Millionen Menschen.
In kaum einem Berufsstand liegen Tradition und technischer Fortschritt so nahe beieinander wie im Handwerk. Was früher ausschließlich mit der Hand gestaltet wurde, geschieht heute in vielen handwerklichen Berufen mit Hilfe von Computern. Trotzdem lernen Handwerker auch heute noch die traditionellen Techniken. Und so mancher alte und vom Aussterben bedrohte Handwerksberuf hat inzwischen wieder Konjunktur.
Das Faszinierende am Handwerk ist der tägliche Umgang mit oft traditionellen Werkzeugen, mit denen individuell produziert werden kann. So geht es zum Beispiel auch in einer modernen Tischlerei heutzutage nicht ohne Handhobel zu. Hinzu kommen neue Materialien und Bearbeitungsmethoden.
Im elektronischen Zeitalter hat sich die rein manuelle Arbeit hin zu computergesteuerten Prozessen oder zumindest zu automatisierten Verfahren entwickelt. Formte der Bäcker seine Brötchen früher noch mit der Hand, macht oftmals die Brötchenformmaschine jetzt seinen Job. Trotzdem muss das alte Handwerk gelernt werden um damit auch zu lernen, wie man solche Maschinen bedient. Aber es entwickeln sich auch ganz neue Berufe. So kann man sich in den traditionellen Bau- und Sanitärberufen zum Gebäudeenergieberater weiterbilden. Der Büromaschinenmechaniker, der früher beispielsweise die Schreibmaschinen reparierte, hieß zwischenzeitlich Bürosystemelektriker und ist heute, dem technischen Fortschritt angepasst, Informationselektroniker.
In der Regel dauert die Ausbildung in allen Handwerksberufen drei bis dreieinhalb Jahre und schließt mit der Gesellenprüfung ab. Früher hatten Handwerksbetriebe keine Probleme mit dem Führungsnachwuchs, da sie größtenteils Familienbetriebe waren. Heutzutage tritt die Nachfolge oft auch ein "Firmeninterner" an. Waren früher noch der Meistertitel oder ein Studium zwingend für die Führung eines Betriebes, so ist das heute nicht mehr in allen Berufen der Fall.
Es kommt sehr auf Führungspersönlichkeit, Kopf- und Planarbeit, Fleiß und Qualitätssicherung an, um am Markt überleben zu können. Trotzdem hat der Meistertitel nichts von seiner Bedeutung verloren, denn um Meister zu werden, wird eine intensive Meisterausbildung durchlaufen, welche dazu beiträgt im Wettbewerb zu bestehen.
Alte Handwerke
Einige Handwerksberufe können auf eine uralte Tradition zurückblicken: Schmiede gibt es beispielsweise, seitdem der Mensch gelernt hat, Metalle zu schmelzen und zu bearbeiten. Auch die holzbearbeitenden Berufe wie Schreiner/ Tischler oder Böttcher zählen zu den ganz alten Handwerken. Dabei besteht jedes Spezial-Handwerk fort, solange es gefragt ist. Z.B. existieren im Böttcherhandwerk in Deutschland nur noch ganz wenige Betriebe.
Dabei gibt es natürlich auch regionale Besonderheiten. Weinküfer findet man zum Beispiel nicht so oft in Schleswig-Holstein, den Holzspielzeugmacher dafür im Erzgebirge und nicht im Ruhrgebiet.
Die Pflege alter Handwerke entspricht auch einem Trend: Immer mehr werteorientierte Bürger spüren ein tiefes Bedürfnis nach Natürlichkeit und Einfachheit. Es geht aber auch um Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit – zum Beispiel weg von industriell, hin zu manuell gefertigter Ware. Viele vom Aussterben bedrohte Berufe erleben so eine kleine Renaissance, weil sie an die "gute alte Zeit" erinnern und einen Gegenpol bilden zum unromantischen, schnellen Konsumleben.
Betriebsentwicklung Handwerk im Erzgebirge
Zum Jahresende 2013 waren im Erzgebirgskreis insgesamt 6732 Betriebe eingetragen. Dabei hat sich das Gründungsgeschehen insgesamt beruhigt. Nach wie vor wird das Wachstum der Betriebszahlen im Handwerk von den zulassungsfreien Handwerken bestimmt.
(z.B. Fliesenleger)
Die Verlangsamung resultiert aus zwei Entwicklungen. Zum einen ist die Anzahl der Löschungen gegenüber dem Vorjahr weiter gestiegen.
Neben der Steigerung der Löschungen ist zum anderen die Anzahl der Zugänge aktuell leicht gesunken. Auch stoßen immer mehr Betriebe an ihre wirtschaftlichen und finanziellen Grenzen und geben auf.
Insgesamt ist festzuhalten, dass im Besonderen im Erzgebirge dem Handwerk eine herausragende wirtschaftliche wie gesellschaftliche Bedeutung zukommt. Zum einen ist die Handwerksdichte pro 1000 Einwohner im Erzgebirge überdurchschnittlich hoch, zu anderen ist gerade in den ländlichen Regionen das Handwerk tief verwurzelt.
Natürlich sind die Entwicklungen im Handwerk vielen konjunkturellen Schwankungen unterworfen. Das war in der Geschichte des Handwerks schon immer so und das wird auch in Zukunft so bleiben. Insofern mag es Zeitabschnitte geben, in welchen ein Slogan
„ Die Enkelgeneration – Handwerk hat silbernen Boden“ geboren wird.
Langfristig wird aber der alte Handwerksspruch: „ Handwerk hat goldenen Boden“ weiter Bestand haben.
Das Handwerk – die Wirtschaftmacht von nebenan!